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Aktuelle Meldung



12.09.2017 - Kategorie: ELKRAS

Edmund Ratz schrieb Kirchengeschichte – ein Nachruf




Am 31. August 2017 verstarb in Ansbach im Alter von 84 Jahren der frühere Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten (ELKRAS), Kirchenrat Dr. Edmund Ratz. Beigesetzt wurde er am 9. September 2017 in Neuendettelsau.

Edmund Ratz war seit langem eng und freundschaftlich mit der Arbeit des Martin-Luther-Bundes verbunden. 18 Jahre leitete er die Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) in Stuttgart. Nach dem Eintritt in den Ruhestand nahm er noch für ein gutes Jahrzehnt den bischöflichen Dienst wahr – zunächst in der Ukraine, dann bei der ELKRAS und in Russland.



Dr. Edmund Ratz und seine Frau Doris bei seiner Verabschiedung als Erzbischof der ELKRAS am 30. Mai 2010 in St. Petersburg. – Bild: ELKRAS

Geboren wurde Edmund Ratz 1933 in Zeitlofs nahe bei Bad Brückenau in Unterfranken. Aufgewachsen ist er in Neuendettelsau. Er studierte ab 1955 Theologie in Erlangen, Heidelberg, Göttingen, Neuendettelsau und in Ohio/USA. Nach Vikariat und Pfarrdienst in Bayern ging er mit der Familie nach Großbritannien. Er wirkte 1965 bis 1969 in der deutschen Auslandsgemeinde in Bristol, dann 1969 bis 1977 in London, dort als Vorsitzender des Lutherischen Rates von Großbritannien.

Nach vier Jahren als Ökumenereferent bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern berief ihn das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes DNK/LWB 1981 zum Leiter des Stuttgarter Büros »Weltdienst und Kirchliche Zusammenarbeit«. Diesen Dienst nahm er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1998 wahr. Das DNK/LWB würdigt seine Arbeit: »Edmund Ratz hat seinen Dienst aus vollem Herzen und mit ganzem Verstand versehen. Das war beeindruckend und prägend. Edmund Ratz hat tiefe Spuren hinterlassen.«

Gut vertraut war er mit den Nöten und Bedürfnissen der lutherischen Diaspora. Die Erinnerung daran, was er gemeinsam mit dem Martin-Luther-Bund insbesondere vor, während und nach den Jahren der revolutionären Umbrüche in Mittel- und Osteuropa angestoßen und mitgetragen hat, könnte ein eigenes Buch füllen.

Die bayerische Landeskirche bat ihn, mit dem Eintritt in den Ruhestand sich doch noch einmal in den bischöflichen Dienst in der Diaspora senden zu lassen. So ging er 1999 zunächst als Bischöflicher Visitator in die Ukraine nach Odessa. Nach einem Jahr wählte die Synode ihn zum Bischof. Von dort führte ihn der Weg noch weiter nach St. Petersburg und Moskau. Die besonderen Herausforderungen dieses Weges sind in seinem Lebenslauf beschrieben:

Da kam überraschend die Bitte der Landeskirche, zunächst als Bischöflicher Visitator, später als der gewählte Bischof in der »Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine« (DELKU) in Odessa den kirchlichen Aufbau nach dem Ende der kommunistischen Zeit zu leiten. Dazu musste er in einem sechswöchigen Intensivkurs in Bochum die russische Sprache lernen. Im Herbst 1999 begann er seinen Dienst in Odessa, wo die Kirchenleitung der DELKU ihren Sitz hatte. Es waren damals einige bescheidene Räume angemietet, in denen die organisatorischen Aufgaben der Kirche durchgeführt wurden, die Gottesdienste fanden in einem Kinosaal eines »Hauses der Jugend« statt. Edmund Ratz war persönlich in den ersten drei Jahren in einem kleinen Zimmer in einem veralteten Sanatorium untergebracht, seine Frau konnte ihn nur gelegentlich besuchen. Im August 2002 war aus einem heruntergekommenen Gebäude der früheren Gemeinde Odessa durch die großzügige Patenschaft der Bayerischen Landeskirche das ansehnliche Kirchenzentrum »Haus der Kirche St. Paul, Odessa« geworden. Jetzt endlich konnte Frau Ratz auch mit in Odessa sein und seine Arbeit unterstützen. Von nun an wohnte das Ehepaar Ratz in diesem Haus der Kirche. Es entfaltete sich ein lebendiges Gemeindeleben, Seminare und Konferenzen und Gästebetrieb sorgten für Abwechslung und Beschäftigung. In St. Petersburg befand sich die Leitung der Gesamtkirche, der »Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten« (ELKRAS). 2005 wählte die Generalsynode Bischof Edmund Ratz zum Nachfolger des erkrankten Erzbischofs Prof. Dr. Georg Kretschmar. Von 2005 bis 2011 war die Arbeitsstelle von Edmund Ratz die ehrwürdige lutherische St. Petrikirche in St. Petersburg. Diese Jahre waren geprägt von Sorgen und Bemühungen um die Zukunft der ELKRAS, von Richtungsstreitigkeiten, von manchen Unklarheiten; es waren auch Jahre der intensiven Teilnahme an den leidvollen Schicksalen der deutschstämmigen Menschen, und der beglückenden Begegnung mit Menschen tiefen Glaubens.

2007 hatte er noch zusätzlich das Amt des Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER) auf sich genommen. Edmund Ratz konnte noch einige Zeit die Arbeit seines Nachfolgers als Erzbischof, August Kruse,  begleiten und führte Dietrich Brauer als Bischöflichen Visitator in Moskau ein, bevor dieser dort zum Bischof und einige Jahre später auch zum Erzbischof der ELKRAS gewählt worden war. In diesen Jahren hat sich die lutherische Kirche in Russland und in den benachbarten Staaten erheblich verändert: Die Verfassung der sich über mehrere Staaten erstreckenden Kirche musste neu gefasst werden. Einheimische traten mehr und mehr auch in die Leitung der Kirche ein.

Die Leitung der ELKRAS schreibt in ihrem Nachruf: »Erzbischof Ratz wird uns in Erinnerung bleiben als Pfarrer und Theologie, und als großherziger Mensch, aufmerksam für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen und bereit, mit Wort und Tat zu helfen.«

Der eigentliche Ruhestand begann dann für Edmund Ratz erst 2011, mit 77 Jahren.

»Er war ein Mann, der in die Welt aufzubrechen bereit war, sich … senden ließ und der … mit seinen Gaben der weltweiten evangelisch-lutherischen Kirche in sehr verschiedenen Aufgaben gedient hat …« So erinnerte Professor Dr. Rudolf Keller, der stellvertretende Präsident des Martin-Luther-Bundes, bei der Predigt im Trauergottesdienst an den Heimgegangenen. In der Auslegung der letzten Kapitel der 1. Korintherbriefes wies Dr. Keller auf den geistlichen Kern dieses Lebenszeugnisses von Edmund Ratz hin:

Der Apostel hat die wichtigste Grundfrage der frühen Christenheit ausführlich behandelt, die Frage nach der Auferstehung des gekreuzigten Christus. Paulus stellt sich in die Reihe der Zeugen, die davon sprechen. Das ist keine Erfindung, die nur von ihm ausgeht, das ist nicht sein eigener Lieblingsgedanke, sondern er hat nur weitergegeben, was auch er empfangen hat. Er steht in der Reihe der Zeugen, wenn er auch Gebiete bereist, die nicht immer schon bereist worden sind, wenn er auch als Pionier in fernen Gebieten tätig ist, in die er gerufen wurde. Der Inhalt seiner Verkündigung ist überall der gleiche und darin gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen, zwischen Ukrainern und Russen, zwischen Deutschen und Indern, zwischen Franzosen und Briten. Der Kern des Inhalts ist die Botschaft von der Auferstehung. »Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig« – so schreibt es Paulus an seine Gemeinde. Und deshalb hören wir heute, wo wir so nötig Trost brauchen, die Botschaft des Apostels von der Auferstehung mit den von Trauer über den Tod und das Sterben geschulten Ohren. Christus, der Herr ist auferstanden, er lebt und wir sollen auch leben. Das gilt für jeden – und auch für Edmund Ratz.

Daher steht am Ende dieses Nachrufs das traditionelle Segenslied aus der Petrikirche in St. Petersburg, das auch im Trauer- und Trostgottesdienst zum Ausgang gesungen wurde:

1.Segne und behüte uns durch deine Güte,
Herr, erheb dein Angesicht über uns und gib uns Licht.

2. Schenk uns deinen Frieden alle Tag hienieden,
gib uns deinen guten Geist, der uns stets zu Christus weist.

3. Amen, Amen, Amen! Ehre sei dem Namen
Jesu Christi, unsers Herrn, denn er segnet uns so gern.
(Johannes Goßner 1825)

Der Martin-Luther-Bund trauert mit der Witwe und den Angehörigen von Edmund Ratz und erinnert dankbar an den gemeinsamen Weg in Zeugnis und Dienst der lutherischen Kirche weltweit.

Michael Hübner