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Aktuelle Meldung



09.06.2004 - Kategorie: Polen, LD online

LD ONLINE: »Bóg wam zapłać« – »Gott soll’s euch vergelten«




Istebna in den Beskiden

 

von Marek Londzin

 

Auszug aus LD 2/2004

 

Das Teschener Land, auf dessen Gebiet sich die Kirchengemeinde in Istebna befindet, umfaßt den südwestlichen Teil der Schlesischen Wojewodschaft. Von ca. 150.000 Einwohnern ist ein Viertel evangelisch-augsburgischen (lutherischen) Bekenntnisses. Diese Gemeindeglieder bilden zusammen fast die Hälfte aller Lutheraner in Polen.



LD 2/2004

Die malerische Landschaft der Beskiden ist auch bei Touristen sehr beliebt.

Konfirmation 2003 in Istebna

Auch das ein Zeichen einer lebendigen Gemeinde: die gleichmäßig hohe Zahl an Gottesdienstbesuchern. – Fotos: EAKiP

Die Kirchengemeinde in Istebna gehört zur Teschener Diözese. Dieser Diözese gehören mit einigen Tausend Mitgliedern die größten Kirchengemeinden der Lutherischen Kirche in Polen an. Dazu zählen die Kirchengemeinden in Cieszyn, Ustroń, Skoczów, Goleszów, Jaworze und Wisła. Im Gegensatz dazu könnte man die Kirchengemeinde in Istebna als typische Diasporagemeinde bezeichnen – sie zählt nur 303 Mitglieder. Im Vergleich zur Gesamtzahl aller Einwohner (12.000) sind dies nur 2,5 %. Der Rest gehört der römisch-katholischen Kirche an.
Die Kirchengemeinde in Istebna ist die kleinste Gemeinde in der Cieszyńska-Diözese. Ihre Mitglieder wohnen in drei Bergdörfern, die im höheren Teil der Beskiden und an der Grenze zur Tschechischen Republik und zur Slowakei liegen. Die Dörfer Istebna, Koniaków und Jaworzynka bilden zusammen eine politische Gemeinde, die sogenannte »TrójwieśÂ« (»Dreidörfer«).

Der höchste Gipfel im Bereich der Dreidörfer ist der Ochdzita (895 m über dem Meeresspiegel), die lutherische Kirche selber liegt auf einer Höhe von 750 m. Es ist eine wunderschöne, malerische Gegend, die bei Touristen sowohl im Sommer wie auch im Winter sehr beliebt ist.


Hirten in den Bergen und Luthers Lehre

Der zahlenmäßige Unterschied zwischen den Katholiken und den Lutheranern in »Dreidörfer« wird sofort an der Zahl der Kirchen deutlich. Während die Katholiken acht Kirchen besitzen, haben die Lutheraner nur eine. Dies war nicht immer so. Kurz nachdem die Lehre Dr. Martin Luthers das Teschener Land erreicht hatte, übernahmen erst der Adel und dann der Teschener Fürst den neuen Glauben. Aufgrund seiner Verordnung wurde das Evangelium im Geiste der reformatorischen Lehre in allen Kirchen seines Fürstentums verkündet. Viele Menschen, die aus anderen Ländern geflohen sind, weil sie dort wegen ihrer Religion verfolgt worden waren, haben hier ihre Zuflucht gefunden. Zum großen Teil waren es Hirten, die nun in den Bergen ihre Schafe auf der Weide ohne Furcht vor Verfolgung hüten konnten.

 

Standhalten in den Zeiten der Gegenreformation

So entstanden die Siedlungen Istebna und später Koniaków. Ihre Einwohner waren damals zu 100 % Lutheraner. Dies hat sich mit der Gegenreformation nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) geändert. Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Teschener Land dem habsburgischen Kaiserreich unterstellt. Die Habsburger haben alle evangelischen Kirchen geschlossen und die Pastoren vertrieben. Trotz dieser großen Verfolgung haben doch einige Lutheraner standgehalten. Ihr Glaube hat sich durch das Lesen in der Bibel, im Gebrauch des Gesangbuches von Pfarrer Jerzy Trzanowski und durch die regelmäßigen gottesdienstlichen Versammlungen gehalten. Im Grundbrief aus dem Jahr 1709, der den Bau der Gnadenkirche in Teschen, der sog. »Jesus-Kirche«, nach der Verfolgungszeit dokumentiert, sieht man die Unterschriften der Landvögte aus Istebna und Jaworzynka.


40 km zu Fuß bis zur Kirche

Die »Jesus-Kirche« war die erste Gemeindekirche. Die Gemeindeglieder aus den Bergen kamen zu Gottesdiensten, Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten etwa 40 km zu Fuß hinunter. Im Jahr 1791 wurde eine lutherische Kirche in Nawsie bei Jablonków erbaut. Dahin mußten die Lutheraner aus Istebna, Koniaków und Jaworzynka dann nur noch 15 km zu Fuß gehen. In dieser Kirche haben sie auch ihre eigenen Bänke gehabt. Dies hat sich bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nicht verändert. Nachdem das Österreichisch-Ungarische Kaiserreich untergegangen war, wurde die Grenze zwischen Polen und Tschechien neu festgelegt. Nawsie wurde Tschechien zugeschlagen, und damit wurden die Lutheraner aus Istebna, Koniaków und Jaworzynka von ihrer Kirchengemeinde abgeschnitten. Diese neue Lage hat den damaligen Pfarrer aus Nawsie, Pfr. Karol Krzywoń, inspiriert, die Kirche in Istebna zu erbauen. Der Bauentwurf stammte von Tadeusz Michejda, einem bekannten schlesischen Architekten. Im Jahr 1927 segnete Bischof Juliusz Bursche aus Warschau den Grundstein.


Ein Traum wird erfüllt

Nach drei Jahren intensiver Arbeit und Dank der großen Opferbereitschaft aller Lutheraner aus dem Teschener Land konnte die Kirche am 3. August 1930 durch Bischof Juliusz Bursche geweiht werden. So haben sich die Träume der Lutheraner aus »Dreidörfer« erfüllt. Die neue Kirchengemeinde wurde von Wisla aus betreut. Der erste Pfarrer, Adolf Frank, hat Dach und Turm, beide im Zweiten Weltkrieg beschädigt, reparieren lassen. Ihm ist es auch zu verdanken, daß die Kirche Strom, eine Orgel, einen neuen Altar – mit dem wunderschönen Bild »Jesus im Garten Gethsemane« von Czeslaw Kuryatto aus Wisła â€“, eine neue Kanzel und Bänke bekam.

Auch das geistige Leben der Gemeinde entwickelte sich stetig. Am Anfang alle zwei Wochen, später jede Woche wurden Gottesdienste, Religionsunterricht und Konfirmationsunterricht gehalten. Ein Chor wurde gegründet und Bibelstunden sowie Jugend- und Frauentreffen organisiert. Nach dem Tod von Pfarrer Frank übernahm Pfarrer Karol Samiec die Betreuung der Gemeinde. Wie seine Vorgänger setzte er sich sehr für die Gemeinde ein. Seiner Initiative verdankt die Kirchengemeinde den Bau des Gemeindehauses in den Jahren 1982–1986. Es sollte als Pfarr- und auch Ferienhaus dienen. Nach den administrativen Veränderungen im Jahr 1993 wurde die Kirchengemeinde selbstständig und bekam erstmals nach der Reformation mit Marek Londzin einen eigenen Pfarrer, der am Ort wohnt und bis heute die Gemeinde betreut.

 

Heute eine junge Gemeinde

In den verganenen neun Jahren hatte die Gemeinde immer rund 280 Mitglieder. Dank Gottes Gnade sind im Jahr 2003 31 neue Mitglieder dazugekommen, während acht Mitglieder gestorben sind. Mit 78 Kindern hat Istebna eine junge und lebendige Gemeinde.

Jeden Sonntag – während der Passions- und Adventszeit auch unter der Woche – werden in der Kirche Gottesdienste abgehalten. Parallel zum Sonntags-Gottesdienst findet auch ein Kindergottesdienst, die sogenannte »Sonntagsschule« statt, an der 64 Kinder in zwei Altersgruppen teilnehmen. Die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl liegt bei 120, so daß die Kirche immer voll ist. Dies ist besonders bemerkenswert, weil es in der Winterzeit oftmals schwierig ist, die Kirche zu erreichen, speziell für ältere Menschen. Die Sonntagsschule besuchen im Schnitt 40 Kinder.

Religionsunterricht findet an einigen Schulen im Gebiet der Kirchengemeinde und am Samstag auch im Gemeindehaus statt. Letzteres ist nötig, weil es in manchen Schulen nur ein oder gar kein lutherisches Kind gibt.

Regelmäßig an jedem Samstag trifft sich eine Gruppe von zwölf Jugendlichen. Seit fünf Jahren geben die jungen Leute die monatlich erscheinende Jugendzeitschrift »Quo vadis« heraus, und seit sechs Jahren gibt es in der Gemeinde die Jugendmusikgruppe »Schalom«.

Jedes Jahr fahren die Kinder zu einer Kinderfreizeit, um zusammen einen Teil ihrer Ferien zu verbringen. Interessant ist, daß in Istebna, wo es so wenige Lutheraner gibt, die politische Gemeindevorsteherin eine Lutheranerin ist. Sie heißt Danuta Rabin und ist gleichzeitig die Kuratorin der Kirchengemeinde (stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderates).


Gästehaus und Bauprojekte

Auch das Gästehaus der Kirchengemeinde ist mit Leben erfüllt. Dort werden Deutsch- und Englischsprachkurse für Jugendliche angeboten, ebenso Ferienaufenthalte für Kinder und Erwachsene. Durch das damit verdiente Geld kann die Kirchengemeinde in Istebna finanziell selbständig bleiben.

Dank eigener Mittel und der Unterstützung der Gemeindeglieder war die Kirchengemeinde in der Lage, in den vergangenen neun Jahren wichtige Arbeiten durchzuführen wie z.B. die Renovierung der alten Kirchenfenster, der elektrischen Installation, der Innenwände, des Parkettbodens, der Ausstattung des Gemeindesaals und der Umzäunung des Kirchengeländes.

Die gesamten dabei anfallenden Arbeiten wurden von den Gemeindegliedern kostenlos geleistet.

Zusätzlich sind die Gästezimmer renoviert worden und verfügen jetzt über neue Badezimmer. Vor zwei Jahren haben die Gemeindeglieder den neuen »Computerraum« renoviert und eingerichtet, der mit Hilfe von Freunden aus Deutschland ausgestattet wurde und heute den Kindern aus der Kirchengemeinde und dem Dorf dient. Die Umgebung der Kirche ist gepflegt, so daß sie als Visitenkarte der lutherischen Kirche in Polen betrachtet werden kann.


Das Dach ist jetzt durchgerostet

Die Renovierung des Kirchturms und der Austausch des Dachbelags stehen der Kirchengemeinde noch bevor. Das erfordert aber besonders große Aufwendungen, die diese kleine Gemeinde nicht selbst aufbringen kann. Die Gemeindeglieder möchten, daß sich die Kirche auch nach außen hin gut präsentiert, so daß sie schon einen ersten Eindruck von der Lebendigkeit und Geborgenheit der Gemeinde und der lutherischen Kirche vermittelt. Im Jahr 2003 ist es geglückt, den Putz an den Außenwänden zu erneuern, ein neues Zifferblatt am Kirchenturm einzusetzen und eine neue Kupferrinne anzubringen.

Im Jahr 2004 wird mit Gottes Hilfe das Dach renoviert werden können. Es ist das Ziel unserer gemeinsamen Tätigkeit und unserer Gebete. Wir hoffen, daß es mit der Hilfe des Martin-Luther-Bundes gelingen wird, dieses Ziel zu realisieren. Wir möchten allen Freunden und Förderern herzlich für ihre Spenden danken. Sie unterstützen damit den Dienst der Diaspora-Gemeinden der lutherischen Kirche im Ausland. Wir danken Ihnen – »Bóg wam zapłać« (»Gott soll’s euch vergelten«), wie in Polen gesagt wird. Und: Auf Wiedersehen in Istebna! Vergeßt nicht, daß Gott die Spender liebt.

Marek Londzin ist Pfarrer in Istebna. Die Ãœbersetzung des Beitrags stammt von Ewa Sliwka.


Auszug aus dem »Lutherischen Dienst« 2/2004, Sondernummer »Polen«. Wenn Sie die weiteren Artikel über die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen und die Projekte, die der Martin-Luther-Bund im Rahmen seiner »Diasporagabe« 2004 unterstützen wird, lesen möchten, bestellen Sie den »Lutherischen Dienst« kostenlos.